Reef Check EcoDiver Kurs & Surveys 2021 in Marsa Shagra
Vom 5.-12.8.2021 fand wieder ein Reef Check Kurs mit anschließenden Riffuntersuchungen (Surveys) im Rahmen unseres Riffmonitoring Programms bei Red Sea Diving Safari (RSDS) statt. Wie letztes Mal wieder in Marsa Shagra. In 2020 mussten die Reef Check Aktivitäten wegen einem kleinen fiesen Virus leider ausfallen…
Doch dieses Jahr lagen uns fast keine Hindernisse im Weg (außer einigen nicht nennenswerten Ein- und Ausreiseformalitäten) und so kam es zum ersten Kurs und Surveys seit 2019! Wer konnte, war geimpft und getestet sowieso, RSDS hatte ein entsprechendes Hygiene-Konzept eingeführt, der gesamte Staff war bereits im Frühjahr geimpft worden. Unser dynamisches Survey Team bestand aus sieben Teilnehmern aus Ägypten, Österreich, Tschechischer Republik und Deutschland, im Alter von 10 bis 64 Jahren. Einige von ihnen nahmen schon seit vielen Jahren regelmäßig an den Surveys teil. Schnell hatten sich alle kennengelernt und nach dem EcoDiver Kurs in wechselnden Buddy Teams zusammengefunden
Der EcoDiver Kurs legt ein besonderes Augenmerk auf die menschlichen Einflüsse im Riff: Überfischung, mechanische Schäden, Überdüngung, Verschmutzung und Müll, sowie Korallenbleichen oder Korallenkrankheiten und auch Frassschäden, die auf mögliche Ungleichgewichte im Ökosystem hindeuten. Für die vier Kurs-Teilnehmer war diese Betrachtungsweise neu – als Sporttaucher hatten sie zuvor eher auf andere Dinge geachtet, v.a. auf (große) Fische, oder auffällige Korallen und Wirbellose, und weniger darauf „wie es den Korallen geht“, Details im Bewuchs, Frassspuren, Algen & Schwämme, Angelschnüre oder Bruchschäden durch Taucher oder Boote.
Man kann sagen, die „Unterwasserwahrnehmung“ ändert sich durch den Kurs.
Der 4 tägige EcoDiver Kurs vom 5.-8.8.2021 umfasste vier Theorie-Lektionen: Einführung & RC Methode, Fische, Wirbellose & menschliche Einflüsse, sowie Substrat (Korallen, Algen, Riffgestein, Sand etc.).
Das „Beach-Exercise“, bei dem die Reef Check Methode sozusagen auf dem Trockenen geübt wird, fand diesmal erstmalig nicht am Beach, sondern im Restaurant statt. Trotzdem hatten wir wieder eine Menge Spaß und konnten es kaum erwarten, das Erlernte bei den echten Riffuntersuchungen (Surveys) anzuwenden.
Wir führten täglich zwei Trainings-Tauchgänge im Riff durch, bei denen wir die Identifizierung der Indikatororganismen und die Unterwasser-Handzeichen übten und auch einen Test-Survey durchführten.
Am Ende des Kurses standen freilich die Tests. Doch das war überhaupt kein Problem, alle Teilnehmer haben bestanden und sind jetzt zertifizierte Reef Check EcoDiver.
Es galt insgesamt 200 Fotos zu den Fischen, Wirbellosen, Substratkategorien, sowie zu den menschlichen Einflüssen, wie etwa Korallenbruch, Müll oder Angelschnüre zu erkennen… und manch einer äußerte sogar, dass die Tests Spaß gemacht hätten…
Auf den Kurs folgten wie immer fünf Reef Check Surveys entlang zweier Tiefenstufen.
Die Plätze für unsere Riffuntersuchungen waren diesmal:
- 1
Abu Nawas Garden
- 2
Marsa Shagra nord
- 3Marsa Shagra süd
- 4
Sharm Abu Dabab
- 5
Marsa Gabel El Rosas nord
1
Die Buddy Teams wechselten im Laufe der Tage durch. So konnte jeder Teilnehmer mindestens einmal die drei verschiedenen Surveys (Fische, Substrat und Wirbellose/menschliche Einflüsse) durchführen und die Daten aufnehmen. Mal bildete der ägyptische Meeresbiologe zusammen mit dem 10-jährigen Open Water Diver ein Buddy Team, oder die frisch zertifizierte EcoDiverin mit dem Divemaster aus Wien mit 10 Jahren Reef Check Erfahrung.
Der erste Survey startete in Sharm Abu Dabab. Das Substrat-Team ermittelte einen Korallenbedeckungsgrad von 41 % (Hartkorallen (HC) 38 % ; Weichkorallen (SC) 3 %) entlang der 8,5m – Tiefenstufe. In der flacheren, also lichtreicheren 3,5 m Tiefenstufe waren es dann insgesamt sogar 55 % Korallenbedeckung (HC 51 % ; SC 4 %).
Beim Fisch-Survey waren in Sharm Abu Dabab, wie auch an fast allen anderen Plätzen die Falterfische die häufigste Fischgruppe mit 5,75 (in 8,5m Tiefe) bzw. 7,5 (in 3,5m Tiefe) Individuen pro 20 m Transekt. Es folgten die Papageifische mit 4 (in 8,5m Tiefe) bzw. 4,25 (in 3,5m Tiefe) Individuen pro 20 m Transekt. Bei den Zackenbarschen, die ein Indikator für Überfischung sind, wurde über beide Tiefenstufen im Durchschnitt nur ein Zackenbarsch pro 20 m Transekt aufgenommen. In 2019 wurde ein neuer Anlegesteg nur etwa 20 m von dem Surveyplatz gebaut, wodurch die Fischerei hier möglicherweise zugenommen hat.
Korallenschäden oder Müll konnten wir nicht feststellen.
Bei den Wirbellosen fanden wir in beiden Tiefenstufen nur Riffmuscheln. Die nachtaktiven Seeigel, Garnelen oder Langusten verbargen sich tagsüber tief in den Spalten und Höhlen im Riff. Bei unseren Nachttauchgängen konnten wir sie beobachten, so wie auch viele weitere interessante Lebewesen.
Es folgten die Surveys am Marsa Shagra Hausriff, an der Nordseite und an der Südseite am Außenriff.
In Marsa Shagra nord fanden wir mit 74 % (3,5 m Tiefe) bzw. 59 % (8,5 m Tiefe) den höchsten Korallenbedeckungsgrad von allen Survey Plätzen, wie auch die meisten Papageifische und Zackenbarsche, mit durchschnittlich 8,5 bzw. 1,75 Individuen pro 20 m Transekt.In Abu Nawas Garden fanden wir die meisten Falterfische mit 10 Individuen pro 20 m Transekt.
Der Survey Platz an der Nordseite der langen und schmalen Bucht Marsa Gabel El Rosas wies mit 50 % (3,5 m Tiefe) bzw. 26 % (8,5 m Tiefe) den geringsten Korallenbedeckungsgrad auf, was aber insbesondere an dem schattigen und steilen Riffhang liegen dürfte.
Die Wassertemperaturen betrugen an allen Survey-Plätzen durchgängig 30 °C bis in ca. 10 m Tiefe. Darunter nahm die Temperatur langsam ab, und sank auf ca. 27 °C in 40m Tiefe. Im Flachwasser der Bucht und auf dem Riffdach betrug die Temperatur nachmittags sogar bis zu 36 °C, trotzdem war bei den in diesem Bereich wachsenden Korallen kaum Mortalität oder Korallenbleichen zu erkennen. Das liegt daran, dass die hier lebenden Korallen und ihre symbiotischen Algen, die Zooxanthellen, an diese hohen Temperaturen angepasst sind: Im Sommer, bei Ebbe und am Nachmittag liegen die Temperaturen regelmäßig in diesem extremen Bereich.
In diesen flachen Bereichen können sich folglich nur jene Arten dauerhaft ansiedeln, welche mit diesen hohen Temperaturen auch zurechtkommen: Hier wäre als erstes die knallig pinkfarbene Griffelkoralle Stylophora pistillata zu nennen, aber auch die Himbeerkoralle Pocillopora, Blockkorallen Porites, Platygyra-Hirnkorallen und auch einige astförmige Acropora-Arten.
Sicherlich waren einige Korallen aufgrund der erhöhten Temperaturen im Sommer etwas heller gefärbt – bedingt durch eine geringere Zooxanthellendichte. Hier kann man aber noch nicht von „Korallenbleichen“ sprechen, bei dem die Koralle in einer Notlage praktisch alle ihre Zooxanthellen vor die Tür setzt. Insgesamt beobachteten wir nur wenige Fälle von Korallenbleichen, bei denen also die Koralle fast weiß war und vollständig ihre Symbiose-Algen ausgestoßen hatte.
Die Korallen der intakten Riffe um Marsa Shagra sind vielfältig und artenreich:
Die Steinkorallen der verschiedensten Wuchsformen – von platten-, ast- oder säulenförmig, bis hin zu massiven Blöcken – bilden mit ihren Kalkskeletten das Fundament des Riffes: Lebensraum für eine faszinierende und eng verwobene Lebensgemeinschaft aus zahllosen Organismen von Algen über Krebstiere, Mollusken, Nesseltiere bis hin zu Stachelhäutern und Würmern. Wegen ihre symbiotischen Algen, den Zooxanthellen, sind die Steinkorallen in den lichtdurchfluteten flacheren Bereichen bis in etwa 20 m Tiefe vorherrschend.
Die Weichkorallen mit ihren acht gefiederten Tentakeln sind vor allem am Anfang der Bucht, wo es ein hohes Sedimentaufkommen gibt, häufig anzutreffen. Ihre Verwandten, die Seepeitschen und Hornkorallen sind eher in den tieferen Bereichen anzutreffen, da sie meist keine Zooxanthellen besitzen und sich vornehmlich vom Fang von Zooplankton ernähren. Eine mäßige bis kräftige Strömung ist ihnen natürlich sehr zuträglich, da hierdurch kontinuierlich neues Plankton herangetragen wird.
Elphinstone
Das etwa 15 km von der Küste entfernte Elphinstone-Riff besitzt aufgrund dieser strömungsreichen Bedingungen üppige Weichkorallenwälder auf seinen Plateaus und Steilwänden, so wie auch riesige Seefächer, Seepeitschen und schwarze Korallen. Ein atemberaubender Fischreichtum umschwärmt das Riff wie eine Wolke mit mehreren „Zwiebelschalen“:
Die „Wall-of-Anthias“ wird eng am Riff von Myriaden von Fahnenbarschen gebildet. Dazwischen tummeln sich natürlich zahlreiche Räuber, wie z.B. Zackenbarsche. Oder auch die ständig nach Wirbellosen suchenden Lippfische. Der größte von ihnen ist der bedrohte und streng geschützte Napoleon-Lippfisch, der mit seinen wulstigen Lippen auch die größten und hartschaligsten Wirbellosen knacken kann: Neben großen Schnecken oder Langusten stehen sogar die korallenfressenden Dornenkronen-Seesterne mit ihren giftigen Stacheln auf seinem Speiseplan.
Schwarmlebende Füsiliere bilden die zweite „Zwiebelschale“. Sie sind ständig auf der Jagd nach kleinen Planktonorganismen.
Weiter außen in den weiteren „Zwiebelschalen“ bewegen sich die schnellschwimmenden Räuber wie Schnapper, Stachelmakrelen oder Barrakudas. An der Spitze der Nahrungspyramide stehen schließlich die Haie als Top-Prädatoren.
Dugongs im Roten Meer
Vor großen Weißspitzen Hochseehaien oder Tigerhaien sind selbst Delfine, Dugongs und Schildkröten nicht sicher. Das berichtete auch der Meeresbiologe Dr. Ahmed M. Shawky in seiner interessanten und anschaulichen Präsentation über die Dugong-Population entlang der ägyptischen Rotmeer-Küste. Ahmed führte außerdem ein extra Dugong Specialty mit unserem jüngsten Taucher durch: Dieses Specialty ist Teil eines modularen Lehrprogramms über die Lebewesen des Roten Meeres speziell für Kinder. Ahmed führt dies u.a. für Schulklassen durch, um schon den jüngsten Mitgliedern der Gesellschaft Respekt und Wertschätzung über die faszinierende, aber auch zerbrechliche Unterwasserwelt zu vermitteln.
Ein besonderes Highlight war der Zodiac Ausflug zum Long Canyon – schon auf der Bootsfahrt begegneten wir einer Gruppe von Spinner-Delfinen.
Nacheinander tauchten wir durch ein langes Tunnelsystem im Riffplateau von Shaab Abu Dabab.
Nach dem Austritt aus dem Canyon besuchten wir noch ein Wrack zum Ende des Tauchgangs.
Marsa Shagra
Am Ende unseres erlebnisreichen Aufenthaltes machten wir noch schöne ausgedehnte Tauchgänge am Marsa Shagra Hausriff. Besonders die Early Morning Tauchgänge um 6 Uhr morgens, aber auch die Late Afternoon Dives, bei denen man kurz nach Sonnenuntergang erst aus dem Wasser kommt, haben ihren ganz besonderen Reiz.
Und natürlich der Nachttauchgang – laut einem vieltauchenden Teilnehmer, der gerne schonmal fünf bis sechs Tauchgänge am Tag macht, ist dies nämlich „der Wichtigste Tauchgang des Tages“, den man keinesfalls verpassen sollte:
Beim Nightdive darf man neben zahlreichen skurrilen, tagsüber verborgenen Wirbellosen auch jagende Muränen erwarten, die bei ihrer Jagd in einigen Fällen sogar vor unseren Augen erfolgreich waren…
Der riesige Schnapper „Fatima“ ist ebenfalls eine feste Attraktion beim Nachttauchgang im Hausriff, so wie unzählige andere Entdeckungen, Überraschungen, oder seltene Arten. Das faszinierende Gorgonenhaupt ist ein riesiger Haarstern mit fein verästelten Armen, der erst bei Nacht aus den Spalten des Riffs hervorkommt, um Plankton zu fangen. Bei normalem Tageslicht zieht er sich umgehend zurück – wir konnten ihn mit einer Rotlicht-Lampe ungestört beobachten. Wir trafen auch die „Spanische Tänzerin“, eine große und sehr elegante Nacktschnecke des Roten Meeres.
Nicht auszudenken, wenn man dies alles verpassen sollte…
Aber auch die schönste Zeit geht einmal vorbei und wenn es dann schließlich der Heimreise entgegen geht, kann man sehr schön auch die herrlichen Sonnenauf und -untergänge auf einem Hügel genießen. Mit Blick aufs Meer, die Wüste, die Berge … und auf Marsa Shagra Village.
Bis es dann wieder heißt „Welcome back!“ :-)
Hier findet ihr den Beitrag in Englisch.